Die Alte Kate anno 1832

Andreas macht Ostseeurlaub. In Hobstin. Eine ganze Woche will er bleiben. Ich kenne Andreas schon einige Jahre. Daher halte ich es für ein Experiment. Denn üblicherweise hält Andreas es nirgendwo länger als drei Tage aus. Aber es ist wegen Susanne. Susanne ist die Gemahlin von Andreas. Und die Mutter seiner drei mittlerweile erwachsenen Kinder. Und Susanne ist gerne in Hobstin. Sie ist Wiederholungsurlauberin. Für Susanne ist es schon der sechste Besuch im Landhaus Hobstin.

„Ich kann mich hier immer so richtig schön erholen.“, sagt Susanne. „Aber Andreas kriege ich ja nie länger als drei Tage irgendwo hin.“, beklagt sie die Unfähigkeit des Gatten, sich auf fremde Umgebungen einlassen zu können. Doch in den letzten Wochen war Susanne gesundheitlich angeschlagen. Nur langsam erholt sie sich. Aber sie nutzt die Gelegenheit. Denn in Hobstin kann sie sich bestimmt schneller erholen. Andreas ist insgeheim besorgt um das Wohlergehen seiner Frau. Zugeben kann er das nicht so richtig. Er ist ja ein harter Brocken. Ein Kerl, der in seinem Leben keine Herausforderung gescheut hat. Erst Berufssoldat, dann Manager. Jetzt Aufsichtsratsvorsitzender von Grill, Backofen und Smarthome. Die Stellung als Ehemann ist eher so eine Art Sidekick. Wenn alles andere rund läuft, muss es die Gesundheit der geliebten Susanne auch. Besondere Vorkommnisse bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Darum jetzt also Hobstin. Für eine Woche.

Als erstes räumt Andreas den Proviant aus dem Auto. Man könnte meinen, er habe sich auf ein Survivaltraining in der mongolischen Steppe vorbereitet. Käse, Butter, Kaffee, Milch, Brot, Eier, Mehl, Olivenöl, Gewürze, Gemüse, Wein, eine Kiste Bier. Und noch eine. „Ich wollte erst noch meine Kochmesser einpacken.“ „Brauchste nicht!“, hat die Hobstin erprobte Gattin ihn gebremst. Zum Schluss kommt noch die Gitarre aus dem Kofferraum. Für romantische Stunden unterm Reetdach. Er gibt es zwar nicht zu. Aber ich kenne ihn ja, den harten Brocken. Mit der Gitarre.

The day after

Küche Alte Kate

Alte Kate – Küche

Anschließend treffen wir uns im Garten. Es gibt frisch gebackenen Pflaumenkuchen. Die Pflaumen haben in der Gefriertruhe überwintert. Aber sie schmecken noch immer, wie frisch vom Baum. Andreas trinkt Cappuccino, Susanne bevorzugt den Kaffee schwarz wie die Seele des Hausherrn. „Ihr habt ja sogar ’n richtig coolen Kaffeevollautomaten in der Alten Kate. Sowas habe ich ja noch nie gesehen in ’nem Ferienhaus.“ Unwillkürlich bahnt sich ein breites Lächeln den Weg über mein Gesicht. So habe ich mir das vorgestellt. Die Gäste sollen begeistert sein, wenn sie hier zum Abschalten verweilen. „Ich glaub hier kann man’s aushalten“, schwärmt Andreas. Das beruhigt. Immerhin hatte ich schon Sorge, dass er den Aufenthalt nicht genießen könnte. Aber das ist ein guter Start. Es ist März, die Sonne strahlt aus voller Kraft auf das Landhaus Hobstin herunter. Andreas sitzt mit Sonnenbrille in unserem Garten und beginnt zu genießen.

Am nächsten Tag bin ich gerade im Garten, als die beiden von einem Ausflug zurückkehren. „Aaach, ist das herrlich!“ schwärmt Andreas. „Wir waren in Neustadt. Da sind wir erst durch den Hafen geschlendert und dann am Wasser weiter Richtung Pelzerhaken. Da haben wir aber auf halber Strecke kehrt gemacht. Dann haben wir noch in der Waterkant was gegessen.“ „Und, …“ interessiere ich mich „…das ist doch ganz gut da, oder?“. Andreas lebt in Berlin. In Berlin ist die Redensart „Kannste nich meckern“ erfunden worden. Die musste da auch erfunden werden, weil es in Berlin eigentlich immer was zu meckern gibt. Andreas ist begeistert von der Waterkant. „Es ist ja fast nicht zu glauben, dass die alle so nett sind hier. Im erstem Moment denkt man immer, die wollen einen verarschen. Weil man das ja aus Berlin nicht anders kennt. Aber die meinen das hier wirklich ernst!“ Irgendwie wird mir gerade ganz warm ums Herz. Nichts wäre mir unangenehmer, als ein enttäuschter Feriengast. Und Andreas ist so eine Art Prototyp. Wenn es dem hier gefällt, dann ist das etwa so, als würde man bei der Queen zum Tee geladen. Wir verabreden uns noch zum Hobstin-Sundowner vor unserem Haus.

Sundowner mit Gastgebern

Draußen nur Kännchen

Eine halbe Stunde später sitzen wir mit Andreas‘ selbstgebrautem Bier auf der Bank vor dem Landhaus. Das Bier hat er eigens hier angeschleppt. Ich muss sagen, das war nicht gerade die blödeste Idee. Eine Weile erläutert er uns seine Erfahrungen, die er in den letzten Monaten mit dem Brauen gemacht hat. Wir überlegen, ob es nicht eine gute Idee wäre, Bier in Hobstin zu brauen und damit die Hobstiner und die Feriengäste glücklich zu machen. Hobstiner Glückspils, sinniere ich. Na ja, es wird wohl eher eine Schwärmerei bleiben. Denn wir haben auch so genug zu tun mit der Pflege des Anwesens. „Ihr habt ja schon wieder so schön renoviert.“ fällt es Susanne ein. „Das kleine Zimmer oben ist ja richtig hübsch geworden! Und die Treppe sieht auch komplett neu aus. Richtig schick!“ Hobbykoch Andreas sind ein paar ganz andere Dinge aufgefallen. „Es fehlt hier ja wirklich an gar nichts!“ begeistert sich unser kritischster Gast. „Es ist alles einfach perfekt. Sogar die Messer in der Küche sind richtig gut. Habt Ihr nicht Angst, dass die geklaut werden? Sowas haben ja viele Leute nichtmal in ihrer eigenen Küche zu Hause!“

Wenn wir Angst vor Diebstahl hätten, dürften wir das hier nicht machen, erklären wir. Wir haben überwiegend Gäste, die eine gute Ausstattung zu schätzen wissen. Die klauen normalerweise auch nicht. Natürlich kommt es immer mal vor, dass etwas plötzlich nicht mehr da ist. So habe ich im Februar festgestellt, dass die Zahl der Eierbecher in der Alte Kate sich seit Januar von 12 auf 4 verringert hat. Und vor zwei Jahren ist der Bestand der guten Tupperdosen von 6 auf 0 geschrumpft. Das kann man ersetzen und verschmerzen. Und grundsätzlich haben wir die Erfahrung gemacht, dass bei wirklich jeder Belegung ein Weißweinglas die Grätsche machen muss. Aber dafür haben wir immer Ersatz auf Lager. Weißweingläser zerdeppern gehört jetzt also zur Pflicht im Landhaus Hobstin.

Wie sieht’s denn bei anderen aus?

„Alle Achtung!“ staunt Andreas, „Im November war ich mit einem Kumpel auf Rügen. Die Hütte, die wir da gemietet haben, hat eigentlich einen sehr guten Ruf. Die kennt man wohl auch ganz gut. Aber die Ausstattung war wirklich das Letzte.“ Mich wundert das nicht. Oft werden Ferienwohnungen mit Mobiliar eingerichtet, das Oma nicht mit ins Grab nehmen konnte. Fotos im Internet zeigen häufig einen Zustand, der lange nicht mehr aktuell ist. „Und die Messer, … „ schimpft Andreas „… die haben die Bezeichnung ‚Messer‘ nicht verdient. Die waren das Allerletzte!“ Kurz kommt mir der neue Nickname ‚Andy Messer‘ in den Kopf, weil dieses Messerthema schon zuvor auf dem Tisch war. Aber er hat ja Recht. Nichts ist schlimmer, als in einem Ferienhaus nicht vernünftig kochen zu können. „Und die Kochtöpfe waren so rund, dass die fast vom Herd gekullert wären!“. Andreas nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Liegt es wohl daran, dass er gerade feststellt, zuvor das falsche Domizil gebucht zu haben?

„Überleg mal…“ fährt Andy Messer fort, „… wir haben da 139 Euro pro Übernachtung gelatzt. In der Nachsaison!!!“ Komm, erzähl weiter, denke ich. Das geht gerade runter wie Öl. Im Hinterkopf entsteht bei mir die Frage, was die Bude wohl in der Hauptsaison kosten mag. „Das ist überhaupt kein Vergleich zu dem, was Ihr hier bietet.“ Da wir selbst nicht nur Gastgeber sind, sondern auch selbst gerne Ferienhäuser mieten, können wir Andreas‘ Enttäuschung teilen. In den vergangenen Jahren haben wir genug Erfahrung gesammelt, um zu wissen, wie ein Ferienhaus ausgestattet sein sollte.

Hobstin tut gut

Herr Conrad auf Graswarder

Susanne und Andreas gehen derweil dazu über, ihre restliche Woche zu planen. Das klingt gut. Besonders, weil es dem dem Urlaubsmuffel offenbar mittlerweile Spaß macht. Andreas beginnt von Hobstin und der Umgebung zu schwärmen. Für die kommenden beiden Tage empfehle ich Ausflüge auf die Halbinsel Graswarder in Heiligenhafen und in das historische Fischerdörfchen Gothmund bei Lübeck. Ich bin sicher, dass Andreas wiederkommen wird. Und auch beim nächsten Besuch wird er es länger als 3 Tage hier aushalten. Denn es gibt ja nichts, was dagegen spricht. Vor allen Dingen aber, weil es seiner geliebten Frau Susanne mittlerweile deutlich besser geht.

Fischerdorf Gothmund bei Lübeck